Alb-Linsen - die Wiederentdeckung einer alten Kulturpflanze von der Schwäbischen Alb

Alb Linsen
Bild: © Styko - wikipedia.org
Die Alb-Linsen, auch Alb-Leisa wie die Linsen auf der Schwäbischen Alb genannt werden, wurden bis in die 1950er Jahre vor allem im schwäbischen Raum angebaut. Der Begriff Alb-Leisa umfasst mehrere alte Sorten von Linsen, die eine ganze Zeit verloren geglaubt waren.
Der Linsenanbau hatte in Schwaben Tradition. Im 19. Jahrhundert befand sich hier das Hauptanbaugebiet der feinen Hülsenfrüchte im deutschen Sprachraum. Der Anbau der Linse war jedoch mühsam und arbeitsintensiv und er brachte immer weniger ein. Billige Exporte aus der Türkei, Indien und Kanada machten ihren Anbau zudem nicht mehr lukrativ. Der Linsenanbau starb nach und nach aus und schien Mitte des 20. Jahrhunderts in Deutschland vollkommen verschwunden zu sein.
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Im Jahr 2006 geschah ein kleines Wunder. Zwei Saatgut-Detektive von der Stuttgarter Umweltagentur Ökonsult entdeckten die von Fritz Späth gezüchteten Alb-Linsen unabhängig voneinander wieder. Fündig wurden sie aber weder in Deutschland noch in Frankreich, sondern in St. Petersburg in Russland. Im dortigen Wawilow-Institut befindet sich eine der größten Genbanken für Saatgut weltweit. Die Späthsche Züchtung lagerte unter der Registernummer 2106 und war mit der fehlerhaften Beschriftung "SPATS ALPENLINSE" versehen. Ableger des Saatguts konnten nach Deutschland zurückgebracht werden. Die schwäbische Erzeugergemeinschaft für Linsen verfügte im Jahr 2007 über wenige hundert Samen, die innerhalb der nächsten fünf Jahre in mühsamer Kleinarbeit stetig vermehrt wurden.
Die Neukultivierung der Späthschen Linse war mit einigen Rückschlägen verbunden. Es gab Schädlingsbefälle und Feuchtigkeit drohte das Saatgut zu vernichten. Vom Gewächshaus gelangte die Alb-Leisa schließlich ins Freiland, wo sie anfangs noch mit Hagelschutznetzen geschützt werden musste. Der Vermehrungserfolg konnte sich am Ende sehen lassen. Aus ursprünglich einer Linse konnten 500 neue gewonnen werden. Plötzlich tauchte auch an anderen Stellen, in schwäbischen Kellern und Dachböden, altes Linsensaatgut wieder auf.
Seit 2012 können nun zwei historische Sorten wieder zum Verkauf angeboten werden. Die Erzeugergemeinschaft nannte sich anfänglich selbst "Alb-Leisa" und firmiert heute unter dem Namen Lauteracher Alb-Feld-Früchte. Ihr gehören inzwischen 70 Landwirtschaftsbetriebe an, die sich allesamt dem biologischen Landbau verschrieben haben. Die Bezeichnung "Alb-Leisa" hat sich die Erzeugergemeinschaft schützen lassen. Die Landwirte kümmern sich selbst um die Sortenpflege und Saatgutvermehrung. Die Vermarktung erfolgt größten Teils zentral durch den Gründer der Gemeinschaft, den Biohof Mammel.
Aussehen und Geschmack
Die Alb-Leisa I ist hellgrün bis ocker, mittelgroß und mehlige kochend. Sie hat einen nussigen und intensiven Geschmack und ist besonders gut für Eintöpfe, Suppen oder typisch schwäbische Gerichte wie "Linsen mit Spätzle" und "Mehlschwitze" geeignet.
Die Alb-Leisa II ist kleiner und von hellgrüner bis beiger Farbe. Mitunter sind diese Hülsenfrüchte getupft oder marmoriert. Sie ist eine festkochende Sorte mit einem würzigen, ebenfalls nussigen und aromatischen Geschmack. Da die Alb-Leisa II auch nach dem Kochen ihre Form behält, ist sie besonders gut für Salate, aber auch für alle anderen Linsengerichte geeignet.
Inhaltsstoffe und Nährwerte
100 Gramm Alb-Linsen haben mit 320 Kilokalorien einen ordentlichen Nährwert. 24 Gramm sind Eiweiß, etwa 52 Gramm Kohlenhydrate, 15,5 Gramm Ballaststoffe und nur 1,5 Gramm Fett. Linsen enthalten zudem reichlich Vitamine und Mineralstoffe wie Vitamin B, Magnesium, Phosphor, Folsäure, Zink, Lecithin, Kalium und Niacin.
Nährwerttabelle - Alb-Linsen, getrocknet Angaben pro 100g |
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Hersteller Bezeichnung |
Lauteracher Alb-Feld-Früchte | ||||||
Energie: | 320 kcal (1339 kJ) |
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Fett: | 1,5 g | ||||||
- davon gesättigte Fette: | 0,4 g | ||||||
Kohlenhydrate: | 52 g | ||||||
- davon Zucker: | 1,3 g | ||||||
Ballaststoffe: | 15,5 g | ||||||
Eiweiss/Protein: | 24 g | ||||||
Salz: | 0,02 g | ||||||
Eisen: | 6,8 mg | ||||||
Magnesium: | 80 mg | ||||||
Zink: | 5,2 mg | ||||||
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Alle Angaben ohne Gewähr. Diese Nährwertangaben unterliegen den natürlichen Schwankungen. |
Der Linsenanbau auf der Schwäbischen Alb ist nach wie vor eine mühsame Angelegenheit. Die Alblinsen benötigen eine Stützfrucht. Dafür wird Getreide wie etwa Braugerste verwendet. Zwar werden die Linsen nach der Ernte zwischen Ende Juli und Anfang September mechanisch von Steinen und leichteren Körnern getrennt, doch ein Rückstand vereinzelter Getreidekörner kann nicht ausgeschlossen werden. Aus diesem Grund sind Alb-Linsen nicht gänzlich frei von Gluten.
Kulinarische Verwendung
Die kulinarische Anwendung der Alb-Linsen ist unglaublich vielfältig. Neben traditionellen schwäbischen Gerichten wie Spätzla mit Leisa und Mehlschwitze lässt sich mit den Linsen hervorragend experimentieren. Für die beiden genannten Gerichte eignet sich besonders die große, mehlig kochende Alblinse. Die kleine Alb-Linse hingegen platzt auch bei längerem Kochen nicht auf und ist trotzdem eine schnelle Linse. Sie ist ein wahrer Alleskönner und gut geeignet für Salate der unterschiedlichsten Art oder als Beilage zu Fisch-, Fleisch- und Gemüsegerichten.
Einweichen und kochen
Bei Linsen ist die allererste Frage, ob das Einweichen notwendig ist, wie viel Wasser man benötigt und wie lange sie kochen müssen.
Alb-Linsen I
Späths Alb-Linse I "Die Große" kann für Suppen und Eintöpfe eingeweicht werden. Dafür müssen die Linsen zuerst gewaschen und dann in einen Topf mit kaltem, ungesalzenem Wasser eingeweicht werden. Am Tag darauf werden die vorgequollenen Linsen über ein Sieb abgeseiht. Die Kochzeit beträgt nun noch etwa 20 bis 30 Minuten. Wenn die Linsen nicht eingeweicht wurden, müssen sie etwa zehn Minuten länger gekocht werden. Zum Kochen werden die Linsen ebenfalls in kaltem Wasser angesetzt, das die Hülsenfrüchte gut bedecken sollte. Salzen kann man während des Kochvorgangs. Eventuell muss Wasser nachgegossen werden. Erst am Ende wird bei Bedarf mit Essig abgeschmeckt.
Alb-Linsen II
Späths Alb-Linse II "Die Kleine" muss nicht eingeweicht werden. Die "schnelle Linse" hat trotzdem nur eine Kochzeit von 20 Minuten. Damit hat man im Handumdrehen ein leckeres Linsengericht gezaubert. Auch nach längerem Kochen behalten diese Zwerglinsen ihre Konsistenz. Für die Wassermenge, Kochweise und die Zugabe von Salz gilt hier das Gleiche wie bei Sorte I.
Tipps zum Einkauf und zur Lagerung
Die Menge der Alb-Linsen, die auf den Markt gelangt, ist wegen ihres beschränkten Anbaugebietes und einer Anbaufläche von knapp 150 Hektar überschaubar. Die Alblinsen sind sehr nachgefragt in der Gastronomie, wo sie bevorzugt im süddeutschen Raum an etwa 100 ausgewählte Restaurants geliefert werden. Ansonsten erhält man die Alb-Linse mit Glück in etwa 300 Bioläden, Feinkostläden und Naturkostläden, ebenfalls ausschließlich im süddeutschen Raum. Die vergleichsweise immer noch seltene Hülsenfrucht ist immer sehr schnell ausverkauft. Ab und an werden Alb-Linsen auch in ausgewählten und spezialisierten Online-Shops angeboten. Wenn es ein solches Angebot gibt, sollte man schnell zuschlagen und sich einen kleinen Vorrat sichern.
Für das Lagern der Alb-Linsen gilt dasselbe wie für alle anderen Hülsenfrüchte. Sie brauchen einen kühlen und trockenen Ort und werden am besten in einer Dose luftdicht verschlossen. Man wird aber kaum in die Verlegenheit kommen, Alblinsen lange zu lagern, denn diese Linsen sind im Vergleich zu anderen Linsensorten eine wirkliche Rarität.
Interessante Fakten
Mit den Linsen von der Schwäbischen Alb wird nicht mal 1% des gesamten Linsenbedarfes in Deutschland abgedeckt.
2012 wird die Alblinse zum Slow Food Presidio-Projekt.
Weitere Linsensorten
Quellen und weiterführende Links
- Webseite der Erzeugergemeinschaft | lauteracher.de
- Ein schwäbisch-russisches Linsen-Märchen | bioland.de
- Heimkehr einer Hülsenfrucht | stuttgarter-nachrichten.de
- Die Feinschmeckerlinsen der Schwäbischen Alb | slowfood.de